Eine gute Mundhygiene oder ein Besuch beim Zahnarzt, wenn ein Zahn schmerzt, das ist nicht überall auf der Welt selbstverständlich. Es gibt viele Hilfsprojekte, die versuchen, die zahnmedizinische Versorgung in armen Ländern durch Freiwilligeneinsätze von europäischen Zahnärzten zu verbessern oder überhaupt erst zu ermöglichen. Was bewegt Schweizer Zahnärztinnen und Zahnärzte dazu, sich freiwillig zu engagieren? Womit muss man rechnen, wenn man solche Einsätze absolviert? Und sind diese überhaupt sinnvoll?
Abenteuerlust war ein Auslöser
Michael Willi hat langjährige Erfahrung in diesem Bereich. Er ist Präsident von Secours Dentaire International (SDI), einer Stiftung, die in den Ländern des Südens soziale Zahnmedizin betreibt. Benachteiligte Bevölkerungsschichten erhalten so Zugang zu zahnmedizinischen Behandlungen. Seinen ersten Einsatz leistete er im Jahr 1986. Auslöser sei wohl eine Mischung aus beruflichem Ehrgeiz, Abenteuerlust und dem Wunsch, etwas Gutes zu tun, gewesen, meint er rückblickend. «Während der nachfolgenden 20 Jahre als Projektleiter in Tansania und schliesslich die letzten zwölf Jahre als Präsident von SDI war es jedoch die Dankbarkeit für die Tatsache, dass es das Leben so gut mit mir und meiner Familie meint, die mich angetrieben hat, Zeit und Geld für die Unterprivilegierten dieser Welt zu investieren.»
Behandeln ohne zuverlässige Wasser- und Stromversorgung
Schaut man Berichte und Fotos über die Einsätze der SDI an, wird schnell klar: Die Zahnmedizin, die in diesen Praxen und Kliniken betrieben wird, ist nicht vergleichbar mit der Arbeit einer Schweizer Zahnärztin. «Keinen zuverlässigen Strom und kein Wasser zu haben, ist für unsere Berufskolleginnen und -kollegen in der Dritten Welt eine echte Herausforderung», erzählt Michael Willi. Doch das sei genau die Stärke von SDI: «Wir helfen mit, in solchen Kliniken trotz widrigster Umstände einen akzeptablen Hygienestandard zu gewährleisten. In Uganda und im Kongo werden in unseren Partnerkliniken täglich mehr als 100 Patienten behandelt, meist chirurgisch. Das braucht Unmengen von Instrumenten und eine gut organisierte Instrumentenaufbereitung. Das Resultat würde Schweizer Kriterien nicht genügen, aber wir können mit gutem Gewissen von sauberen Instrumenten sprechen, deren Einsatz niemanden krank macht.» Behandlungen unter solchen Voraussetzungen sind für einen jungen Zahnarzt oder eine junge Zahnärztin nicht immer einfach. Wer einen Einsatz in einem wenig entwickelten Land leisten möchte, sollte sich vorher über die vor Ort herrschenden Verhältnisse informieren. Michael Willi meint: «Die grösste Schwierigkeit ist meines Erachtens die Diskrepanz zu der Zahnmedizin, wie wir sie in der Schweiz pflegen mit all den extremen Anforderungen an die Hygiene und den Hightech-Behandlungsgeräten.»
Nachhaltigkeit ist wichtig
Manchmal wird Kritik laut, dass Kurzeinsätze von Zahnärzten, die während einer Woche in ein Land reisen und Patienten behandeln, nicht sinnvoll seien. Der Effekt sei nicht nachhaltig. Heute stimmt Michael Willi dem zu: .1986 war ich überzeugt, dass mein sechsmonatiger ehrenamtlicher Einsatz im Albert-Schweitzer- Spital in Lambaréné für die lokale Bevölkerung ein Gewinn sei. Das sehe ich heute in einem anderen Licht.. Der europäische Zahnarzt soll mit seinem Wissen und seinem Geld besser lokale Kolleginnen und Kollegen unterstützen, findet er. «Ausserdem ist für mich die Frage der Bewilligung absolut zentral. Wir würden es in der Schweiz nicht akzeptieren, wenn afrikanische Zahnärzte ohne anerkanntes Diplom und ohne Bewilligung vom Gesundheitsamt Patienten behandeln. Warum soll das umgekehrt in Afrika erlaubt sein? Diese lokalen Gesetze zu ignorieren, ist eine Art von Überheblichkeit, die in Richtung Rassismus geht. SDI habe deshalb schon 1992 aufgehört, weisse Zahnärzte als Behandler für Kurzzeiteinsätze nach Afrika zu schicken. Michael Willi empfindet insbesondere den Austausch mit Berufskolleginnen und -kollegen aus armen Ländern als eine echte Bereicherung. «Die dabei entstandenen Freundschaften haben einen grossen Stellenwert in meinem Leben.»