Zahnmedizin aktuell

«Vorurteile helfen nicht»

Laut, fordernd, bequem und spassgetrieben. Man hört viel über die Generation Z. Wie sind sie wirklich, die Jungen, die jetzt auf den Arbeitsmarkt strömen?

In vielen Branchen herrscht zurzeit Lehrlingsmangel. Auch die Zahnmedizin ist betroffen. Die Praxen haben teilweise Mühe, offene Lehrstellen oder Stellen für Dentalassistentinnen oder Dentalassistenten zu besetzen. Was sollten Zahnärztinnen und Zahnärzte bei der Rekrutierung von jungen Mitarbeitenden beachten? Und wie gelingt die Zusammenarbeit mit jungen Menschen aus der Generation Z? Antworten kennt Stefanie Hafner von der NEOVISO AG, einer Marktforschungs- und Beratungsfirma, die Dienstleistungen rund um das Thema Generation Z anbietet.

Stefanie Hafner, Anfang August haben wieder Tausende Lernende in der Schweiz ihre Ausbildung begonnen. Kann man diese jungen Männer und Frauen wirklich alle über einen Kamm scheren?

Man sollte nicht zu stark pauschalisieren, es geht immer noch um Individuen. Es ist aber so, dass äussere Entwicklungen und Ereignisse eine Generation prägen. Nehmen wir die Digitalisierung: Die Generation Z ist zwischen 1995 und 2010 geboren. Sie ist die erste Generation, die in einer digitalen Welt aufgewachsen ist. Social Media ist ihre Hauptquelle für sozialen Austausch und Informationsbeschaffung.

Wie wirkt sich die Digitalisierung auf das Verhalten und das Denken der Generation Z aus?

Die «GenZ-ler», wie wir sie nennen, sind unheimlich gut darüber informiert, was in der Welt passiert. Durch den Konsum von Livestreams, Videos, Posts – vor allem auf Instagram und zunehmend auch auf TikTok – sind sie nahe am Geschehen, verspüren unmittelbare Betroffenheit – und handeln. Auf den sozialen Medien können sie sich jederzeit mobilisieren. Sie haben keine Hemmungen, sich laut und unmissverständlich für eine Sache einzusetzen.

Wie zeigt sich das am Arbeitsplatz?

Durch den Umgang im Netz haben Zugehörige der Generation Z auch bei der Arbeit keine Probleme damit, Forderungen zu stellen. Auch sind sie es nicht gewohnt, sich mit ihrer Meinung zurückzuhalten. Das kommt bei den Vorgesetzten nicht immer gut an. Hinzu kommt ein anderer Faktor: die GenZ-ler sind eine vergleichsweise kleine Generation. Arbeitgeber müssen um sie kämpfen – nicht umgekehrt. Der Fachkräftemangel macht sich deutlich bemerkbar. Die Jungen sind nicht mehr auf einen Arbeitgeber oder ein Unternehmen angewiesen. Sie wissen, dass sie gefragt sind und auch woanders unterkommen werden.

Es heisst oft, die Generation Z sei bequem.

Man kann es bequem nennen. Oder einen Wertewechsel. Die Arbeit hat bei der Generation Z nicht mehr den gleich hohen Stellenwert wie noch bei der Vorgängergeneration; die Generation Y – auch als Millennials bekannt –, geboren zwischen 1981 und 1995, strebt eine stärkere Verschmelzung von Arbeit und Freizeit an, was oft einher geht mit einer durchgehenden Erreichbarkeit.  Die Generation Z lehnt dies ab. Freizeit ist Freizeit, dann bleibt das Geschäftshandy ausgeschaltet.

Das ist verwunderlich bei jungen Menschen, die eigentlich ständig online sind.

Nicht unbedingt. Die viele Informationen, die Schnelllebigkeit von Trends, Krisen, Krieg und andere Bedrohungen, die merklichen Folgen der Klimaerwärmung ... Gerade wegen diesen Faktoren und der damit verbundenen Unsicherheit ist ihnen eine Struktur, eine Konstante wichtig. Statt auf den Job setzen sie den Fokus wieder mehr auf Familie, Freunde, mentale Gesundheit.

Die Chefs von heute stammen mehrheitlich aus der Generation X – eine Generation, für die der berufliche Erfolg weit oben auf der Prioritätenliste steht. Birgt das nicht viel Konfliktpotenzial?

Die Generation X stand beim Berufseinstieg vor einer ganz anderen Situation: Die Wirtschaftskrise hat den Arbeitsmarkt geschwächt, für die GenX-ler war es keine Selbstverständlichkeit, eine gute Stelle zu finden. Jobsicherheit ist ihnen wichtig. Gegenüber dem Arbeitgeber sind sie loyal, haben aber immer ein Auge auf dem nächsten Tritt der Karriereleiter. Bei den GenZ-ler verhält es sich anders: Wenn sie zum Beispiel die Lust verspüren, eine längere Reise zu machen, die nicht mit dem Job vereinbar ist, kündigen sie lieber, als darauf zu verzichten.

Müssen Arbeitgeber jetzt umdenken und sich der Generation Z anpassen?

Umdenken ja, komplett anpassen nicht. Es braucht ein gegenseitiges Verständnis, um Vorurteile aus dem Weg zu schaffen. Der Arbeitgeber muss sich mit der neuen Generation auseinandersetzen, verstehen wollen, wie sie tickt, nachfragen, Interesse zeigen. Dann darf er natürlich auch von ihnen fordern.

Also geht es um Kommunikation?

Im Grund ja, wie bei vielem. Die GenZ-ler sind es sich gewöhnt, auf alles Mögliche Feedback zu geben und entgegenzunehmen. Ein Beitrag ist schnell geliked. Auch am Arbeitsplatz erwarten sie Rückmeldung auf ihre Arbeit. Und dies zeitnah, nicht erst beim nächsten Mitarbeitendengespräch. Feedback – positives wie negatives – zeugt auch von Wertschätzung. Ein kurzes «Das war gut, wie du das gemacht hast», zeigt ihnen, dass ihre Arbeit registriert wird, dass sie einen Wert hat. Das motiviert. Damit eröffnen sich auch Chancen in der Zusammenarbeit mit der Generation Z.  

Welche Chancen sind das?

Die Jungen von heute sind kreativ, bringen neue Sichtweisen ein, sind gut vernetzt und finden leicht Zugang zu Informationen. Zudem sind sie technisch und digital sehr versiert, von ihnen können die älteren Generationen lernen. Denn – ob es nun die Zahnarztpraxis oder eine Bank ist – die Digitalisierung spielt mittlerweile in jedem Unternehmen eine Rolle.

Was ist zu beachten bei der Rekrutierung von jungen Mitarbeitenden?

Aus einer Umfrage, die wir unter den GenZ-lern gemacht haben, ging hervor, dass das gute Verhältnis im Team langfristig das Wichtigste bei einer Stelle ist. Diese Antwort gaben 75 Prozent der Befragten. Deshalb sollte das künftige Team unbedingt auf der Firmenwebseite sichtbar sein, damit man sich ein Bild zum Team machen kann. Zu finden sind die Kandidatinnen und Kandidaten am einfachsten dort, wo sie sich häufig aufhalten: in den sozialen Medien. Dort kann schon ein erster Kontaktpunkt entstehen. Wieso also nicht selbst aktiv werden? Die Jungen wollen wissen, bei wem sie sich bewerben. Wer selbst Content auf Instagram stellt, kann dadurch Aufmerksamkeit generieren.

Zahnärztinnen und Zahnärzten bekunden je länger je mehr Mühe, Dentalassistentinnen zu finden. Worauf sollten sie achten?

Hier gilt das Gleiche wie eigentlich überall: Der potenzielle Arbeitgeber muss online einen attraktiven, zeitgemässen Auftritt haben, die Vorteile einer Anstellung in seiner Praxis hervorheben und der künftigen Mitarbeiterin das Gefühl vermitteln, ihr auf Augenhöhe zu begegnen. Wichtig ist aber, dass er dabei authentisch bleibt. Auch kommt es immer gut an, schon am Anfang über mögliche Weiterbildungen zu informieren.

Eine Frage, die man bei Bewerbungsgesprächen oft hört: Wie gehen Sie mit Stress um? Nun heisst es aber von den GenZ-lern, sie seien nicht genug belastbar.

Es ist schwer zu sagen, ob sie weniger belastbar sind als Arbeitnehmende aus früheren Generationen. Was sicher ist: Sie kommunizieren ihre Grenzen offen, während GenX-ler und GenY-ler nach wie vor eher ungern zugeben, wenn sie die Arbeit erschöpft oder überfordert.

Sind die Jungen auch bereit, Führungsaufgaben zu übernehmen?

Es ist nicht ihr oberstes Ziel, irgendwann Chef zu sein. Sie wollen lieber möglichst flexibel bleiben. Allerdings möchten sie über Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb ihres Unternehmens – oder ihrer Branche – Bescheid wissen. Auch sind sie durchaus bereit, Verantwortung zu übernehmen und einen Extra-Effort zu leisten. Aber nur dann, wenn sie den Sinn darin erkennen. Das ist uns natürlich allen wichtig, wer möchte schon eine sinnfreie Arbeit machen? Aber die Jungen sind darin fordernder, direkter, selbstsicherer.

Wie steht es mit Arbeitskräften aus dem Ausland? Unterscheiden sich die GenZ-ler von Land zu Land?

Es gibt klare Gemeinsamkeiten über die Länder hinweg, aber dennoch gibt es auch länderspezifische Unterschiede. Deshalb führen wir unsere eigenen Umfragen und Fokusgruppen mit der Gen Z durch, um für unsere Kunden die relevanten Daten aus der Schweiz zu haben. In der Schweiz wachsen die Jungen anders auf als in anderen Ländern: Unser duales Bildungssystem, die durchlässigen Grenzen ungeachtet vom sozialen Status und die tiefe Jugendarbeitslosigkeit sind grosse Vorteile. Die meisten haben keinen Krieg oder extreme Wirtschaftskrisen aus erster Hand miterlebt. All diese Faktoren prägen eine Generation.

Dennoch gibt es auch bei uns Unternehmen, die solchen Veränderungsprozessen kritisch gegenüberstehen. Was sagen Sie denen?

Dass wir sie verstehen. Aber auch, dass die Welt sich verändert. Und das immer schneller. Die neuen Technologien haben definitiv Einzug in unseren Arbeitsalltag gehalten. Die Generation Z ist nicht zuletzt ein Produkt ihrer Zeit. Und: Es gibt keine Alternative zur Generation Z. Die einzige Lösung ist deshalb, sich dieser Herausforderung zu stellen und sich den Jungen anzunähern. Nur so profitieren alle davon.

Wer folgt auf die Generation Z?

Die Generation Alpha befindet sich schon in der Startposition. Heute sind es Teenager, die demnächst ihre Entscheide für eine sekundäre Ausbildung oder eine Berufslehre fällen werden. Wir sind bereits mit ihnen in Kontakt. Man kann sich nicht früh genug auf die Mitarbeitenden von morgen vorbereiten. Aber wir können noch nicht sagen, wie sie sich im Berufsleben behaupten werden. Es wird ganz bestimmt Unterschiede zur Gen Z geben und darauf sind wir gespannt.

 

 

Zur Person

Stefanie Hafner, 30, Generation Y, ist Head of Data an Insights, Head of Human Ressources und Mitglied der Geschäftsleitung bei der NEOVISO AG in Kriens. Die Firma beschäftigt rund 25 Mitarbeitende, fast alle davon aus der Generation Z.

www.neoviso.ch

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