Mindestens eine Milliarde Menschen weltweit sind gemäss Weltgesundheitsorganisation blind oder sehbehindert, obwohl ihre Augenleiden heilbar wären. 75 Prozent aller Seheinschränkungen liessen sich durch frühzeitige Erkennung und vorbeugende Massnahmen vermeiden. Unerkannt oder unbehandelt stellen sie eine grosse Beeinträchtigung für die Betroffenen dar. Insbesondere in Ländern mit tiefem oder mittlerem Einkommen können blinde oder sehbehinderte Menschen oft nicht mehr arbeiten oder müssen die Schulbildung abbrechen. Sie sind daher gefährdet, (noch tiefer) in die Armut abzurutschen. Neun von zehn Menschen mit Seheinschränkungen leben in diesen Ländern. Denn dort ist der Zugang zur augenmedizinischen Versorgung insbesondere in ländlichen und benachteiligten Gebieten noch immer unzureichend.
Ältere Menschen am meisten betroffen
Am stärksten von Blindheit und Seheinschränkungen betroffen sind Menschen im Alter von über 50 Jahren. So sind 86 Prozent der 36 Millionen blinden Menschen weltweit in dieser Altersgruppe zu finden. Von den 217 Millionen Menschen mit mittleren bis starken Seheinschränkungen sind 80 Prozent älter als 50. Die Zahl der älteren Menschen, die von Blindheit und Seheinschränkungen betroffen sind, wird weiter zunehmen. Zwar betrifft die demografische Alterung nicht alle Regionen der Welt im gleichen Ausmass. Insgesamt schätzen die Vereinten Nationen aber, dass in 10 Jahren rund 1,4 Milliarden Menschen über 60 Jahre alt sein werden. 2015 waren es noch 901 Millionen. Weil das Alter ein entscheidender Risikofaktor für verschiedene Augenkrankheiten ist, wird die Bevölkerungsalterung zu einer Zunahme von Blindheit und Seheinschränkungen führen. Gemäss Studien wird beispielsweise die Anzahl Fälle von altersbedingter Makuladegeneration um das Siebenfache zunehmen. Diese Augenerkrankung verursacht einen Verlust der Sehkraft in der Mitte des Sichtfelds. Aber auch der grüne und der graue Star sowie Altersweitsichtigkeit werden durch die Alterung der Bevölkerung häufiger auftreten.
Weitreichende Auswirkungen von Blindheit im Alter
Der Verlust der Sehkraft im Alter hat weitreichende Konsequenzen – für die Betroffenen selbst, aber oft auch für ihr Umfeld. Das Risiko von Depressionen und anderen psychischen oder körperlichen Begleiterkrankungen steigt. Zudem können Blindheit und Seheinschränkungen im Alter die Lebensqualität stark beeinträchtigen – insbesondere für alleinstehende Menschen. Betroffene können unter Umständen nicht mehr arbeiten, sind weniger mobil und dadurch weniger selbstständig, brauchen mehr Unterstützung im Alltag und bei der Selbstfürsorge. Sie erleben weniger soziale Interaktionen und leiden unter Umständen unter Schmerzen oder anderen Beschwerden. Gute Augengesundheit im Alter hingegen gibt Menschen die Möglichkeit, sich weiweiterhin aktiv in der Gemeinschaft, aber auch am Familienleben zu beteiligen. Dies ist auch deshalb wichtig, weil ältere Familienmitglieder oft eine wichtige Rolle bei der Kinderbetreuung oder im Haushalt übernehmen.
Prävention und Zugang zu Behandlung sind zentral
Der Verlust der Sehkraft im Alter ist vermeidbar. Durch frühzeitige Erkennung und Behandlung von Augenleiden können Menschen auch im Alter in wirtschaftlicher Sicherheit leben und sozial aktiv bleiben. Wichtig dafür ist neben dem Zugang zur Augenmedizin auch die Sensibilisierung für die Häufigkeit und die Auswirkungen von Augenkrankheiten im Alter. Hierfür setzt sich das Schweizerische Rote Kreuz mit seinen augenmedizinischen Projekten in verschiedenen asiatischen und afrikanischen Ländern ein. Wir arbeiten eng mit den nationalen Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften sowie den Gesundheitsbehörden in den Programmländern Ghana, Togo, Bangladesch, Kirgistan und Nepal zusammen. Dabei verfolgen wir vermehrt einen integrativen Ansatz. Denn Augengesundheit ist stark mit anderen Gesundheitsthemen wie beispielsweise Ernährung verknüpft. Wir kombinieren verschiedene Massnahmen und können so die Wirkung unserer Arbeit erhöhen. Ziel ist es, allen Menschen den Zugang zu augenmedizinischen Untersuchungen und Behandlungen zu ermöglichen. Denn unkomplizierte und kostengünstige Eingriffe verändern täglich das Leben von Betroffenen. Zum Beispiel von Christine Tchalla, einer 78-jährigen Patientin in der Region Plateaux in Togo, die vor zwölf Jahren wegen grauen Stars erblindet war. Dank dem Roten Kreuz wurde sie bald nach der Diagnose operiert. Trotz einem Stromunterbruch während der Operation verlief der Eingriff gut und war nach weniger als zwanzig Minuten bereits erfolgreich abgeschlossen. Dankbar hat Christine Tchalla ein neues, würdevolles Leben begonnen.
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